Immer wieder handeln Manager* in deutschen Unternehmen nicht, selbst wenn sie die Notwendigkeit schneller Entscheidungen und Taten längst erkannt haben. Wie entsteht dieses Gefühl der Lähmung bei Führungskräften und Managern? In welchen Situationen handeln sie nicht? Welche Folgen hat diese Unfähigkeit zu handeln?
Wann waren Sie zuletzt in einer Situation, in der Sie wussten, dass Sie etwas tun müssen, es aber nicht getan haben? Wenn Sie wie die meisten Menschen auf der Welt sind, ist es wahrscheinlich noch gar nicht lange her. Denn: So sind wir Menschen nun einmal.
Mangelnde Handlungsfähigkeit unter Führungskräften des Unternehmens kann schwerwiegende Folgen haben. Sowohl für den einzelnen Manager selbst, als auch für Mitarbeiter und letztlich für die Produktivität und die Ergebnisse des Unternehmens.
Angst, Zweifel und Unsicherheit
Eine dänische Studie von Jan Rohwedder offenbarte, dass von 190 teilnehmenden Führungskräften nur zwei angaben, immer direkt zu handeln, wenn es eine Notwendigkeit dazu gibt.
Die Gründe für die (scheinbare) Handlungsunfähigkeit sind abstrakte emotionale Geisteszustände, über die man nicht gerne spricht. Schon gar nicht als gestandene Führungspersönlichkeit. Die Rede ist von Angst, Zweifeln und Unsicherheit. Wie in unseren früheren Beiträgen bereits thematisiert, zeichnet emotionale Offenheit starke Persönlichkeiten aus. Wir geben Ihnen im heutigen Text einige Aspekte mit auf den Weg, die zur emotionalen Selbstreflexion einladen.
Jan Rohwedders Studie zeigt drei Hauptgründe auf, warum Führungspersönlichkeiten nicht handeln:
1. Angst vor negativen emotionalen Einflüssen auf die Beziehung zu anderen.
„Wie beeinflussen die Maßnahmen, die ich jetzt ergreifen will, meine Mitarbeiter?“
2. Zweifel an ihren eigenen Kompetenzen.
„Sind die Maßnahmen, die ich jetzt ergreifen will, richtig und gut?“
3. Ungewissheit über die Handlung, ihre Folgen und damit Unsicherheit über die Führungsrolle.
„Bin ich überhaupt geeignet, diese Entscheidung zu treffen?“
Der emotionale Bumerang
Die Ironie dabei ist, dass dieses emotionale Unbehagen, in welches Führungskräfte in solchen Situationen geraten, sie in ihren Entscheidungen und Handlungen in eine Schockstarre verfallen lässt, die sich im Endeffekt oft noch unbehaglicher anfühlt. Manager verpassen es also, die Initiative zu ergreifen und Entscheidungen zu treffen, da sie sich in einer unangenehmen Situation befinden. Im Endeffekt löst dies aber das zugrundeliegende Problem nicht, sondern verstärkt nur seine emotionale Wirkung auf die Führungskraft. Das Unbehagen, kann man nicht durch Aufschieben oder Untätigkeit „wegwerfen“, denn es kommt wie ein Bumerang zurück – meist noch viel stärker als zu Beginn.
Wenn es um Menschen geht
Rohwedders Studie zeigt auch, dass der Mangel an Maßnahmen fast immer in Situationen auftritt, in denen andere Menschen beteiligt sind. Sehr selten ist dieses Phänomen zu beobachten, wenn es um Schreibtischaufgaben wie Finanzen und Strategieplanung geht. Manager sagen, dass sie insbesondere in Situationen nicht handeln, in denen es um Dinge geht, die einen oder mehrere der folgenden Aspekte beinhalten:
- Die Bewertung anderer durch die Führungskraft:
Feedbackgespräche stellen Führungskräfte oft vor Herausforderungen. Alle reden von konstruktivem Feedback, doch in der Praxis kommt es häufig zu Situationen, in welchen sich der Mitarbeiter nach dem Feedback dennoch gekränkt und falsch verstanden fühlt. Ein gutes Arbeitsklima ist wichtig, aber nicht vollständige oder gar unbefriedigende Leistungen müssen angesprochen werden. Die Führungskraft darf ihr Harmoniebedürfnis nicht über das Wohl des Unternehmens stellen. In leitender Position kann man eben nicht immer nur schöne Gespräche führen. Unter diesen Aspekt fallen natürlich auch Verstöße gegen Regeln sowie unangebrachtes Verhalten oder inakzeptable Kommunikation. Gerne geht man Konflikten aus dem Weg und hofft, dass sie sich in Luft auflösen, doch im Endeffekt schwelen diese Ungereimtheiten immer weiter vor sich hin und werden nur schlimmer statt besser.
- Viele Aufgaben und wenige Ressourcen:
Wenn viel zu wenig Zeit, Geld und andere Ressourcen vorhanden sind und ihre Aufgaben sie zu übermannen drohen, neigen Führungskräfte ebenfalls dazu, sich von der Situation lähmen zu lassen und in eine Schockstarre zu verfallen. Diese Handlungsunfähigkeit befeuert die Probleme jedoch immer weiter. Wenn Manager nicht ins Tun kommen, wird sich die Situation nur verschlimmern. Unumgänglich ist das Bewusstsein über den Unterschied zwischen Motivation und Volition. Die Volition wird dann wichtig, wenn die Motivation zum Handeln fehlt. Sie beschreibt die Willenskraft, die es benötigt, um Dinge zu tun und den inneren Schalter umlegen zu können, der uns befähigt, die Zähne zusammenzubeißen und auch unliebsame Aufgaben zu erledigen, die zum Erreichen unserer Ziele wichtig sind. Wenn die Volition fehlt, finden sich Führungskräfte schnell in scheinbar ausweglosen Situationen wieder.
- Persönliche Konflikte
Sei es eine eigene persönliche Notsituation oder die Probleme anderer, die eine Führungskraft beschäftigen – diese Konflikte, die nichts mit dem Unternehmen und den unternehmensinternen Prozessen zu tun haben, verlangen uns einiges ab und blockieren unser Denken und Handeln. In Situationen, in welchen es uns schwerfällt, Privates und Berufliches auseinanderzuhalten, helfen die Akzeptanz dieser Umstände und vor allem die offene Kommunikation mit Mitarbeitern. Fehlt diese Einsicht, ist es sehr herausfordernd, die Kontrolle über die Situation zu behalten, Entscheidungen fallen schwer und die Blockade baut sich weiter auf.
Diese Punkte sind nur ein Ausschnitt. Es gibt viele weitere Gründe für das Entstehen des o.g. Bumerang-Effekts. Doch der Bumerang, der Manager hart trifft, wenn sie sich in ihren Entscheidungsprozessen und Handlungen emotional selbst blockieren, ist beileibe nicht der einzige negative Effekt.
Ein gelähmtes Management beeinflusst die gesamte Organisation
Schauen Sie sich einfach die Liste der oben genannten Situationen an. Der Mangel an Handlungsfähigkeit hat nicht nur Folgen für diejenigen, die direkt in die Situationen involviert sind, wie z. B. ein Manager und ein Mitarbeiter. Diese Situationen können sich auf die gesamte Organisation auswirken und zu einem allgemein schlechteren Arbeitsumfeld, mehr Krankheitstagen, ineffizienten Arbeitsweisen und internen Streitigkeiten unter den Mitarbeitern beitragen. All dies sind mögliche Folgen einer Führungskraft, die durch emotionale Blockaden keine Verantwortung übernehmen kann.
Unklarheiten fördern emotionale Unsicherheit
Bei diesen Unsicherheiten von Führungskräften dreht es sich thematisch oft darum, dass sie ihre eigenen Fähigkeiten nicht richtig einschätzen und zu zweifeln beginnen. Eine nicht gefestigte Persönlichkeit neigt in der Folge oft dazu, im professionellen Umfeld Konflikten aus dem Weg zu gehen, da sie die Konsequenzen fürchtet. Viele Führungskräfte sind sich Ihrer Führungsrolle schlichtweg nicht sicher und hinterfragen sich und ihre Kompetenzen.
In der Folge wird auch die große Aufgabe des Top-Managements bewusst, Manager und Führungskräfte auf dieser Ebene in richtigem Maße zu unterstützen. Eine klare Definition der Position und des Handlungsspielraums sind ebenso wichtig, wie eine emotionale Stärkung des Selbstbewusstseins der Führungskräfte. Eine vertrauensvolle Beziehung zum Vorgesetzten ist ein Schlüsselelement.
Zweifel gibt es auch im Top-Management
Die o.g. Effekte treten jedoch nicht nur im mittleren Management auf. Auch Top-Manager finden sich immer wieder in ähnlichen Situationen. CEO und Management Board haben nicht nur damit zu kämpfen, dass sich Führungskräfte in einer Handlungsblockade wiederfinden. Auch die Top-Manager selbst sehen sich diesem Problem häufig gegenüber.
Offene Kommunikation und proaktive Ansätze zur Vermeidung der beschriebenen Problemsituationen können den Führungskräften und der gesamten Organisation helfen. Grundvoraussetzung sind allerdings eine offene Einstellung gegenüber eines stetigen Wandels und die richtigen Persönlichkeiten im Unternehmen.
*In diesem Text wird für die bessere Lesbarkeit nur die männliche Form verwendet. Die gewählten männlichen Formulierungen gelten uneingeschränkt auch für alle Geschlechter.